Ich gestehe, dass mein Blick beim Betreten eines Raums – Pressekonferenz der Stadtverwaltung, Konferenzraum beim Kunden, Wartebereich im Flughafen – erst einmal dem lokalen Steckdosenangebot gilt. Mein Smartphone saugt sich im Online-Bloototh-WLAN-Modus ganz gut was an Strom rein. Da kann die Ladung von der letzten Nacht nach einem längeren Kundentelefonat schnell verbraucht sein. Dasselbe gilt für das Notebook, wenn es mal einen Tag von seiner heiß geliebten Dockingstation weg ist. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich nachts in Berlin libanesische Kioskbesitzer bitten muss, mich mal kurz an eine Steckdose hängen zu dürfen…
Seit ein paar Wochen hat meine Steckdosensucht eine neue Dimension bekommen. Mein neues Auto braucht auch Strom. Mein Opel Ampera muss bei den aktuellen Temperaturen alle 40 km (im Sommer soll sich das auf 100km verlängern) an die Steckdose. Wenn ich längere Strecken fahre oder der Akku leer ist, erzeugt ein Generator mit Hilfe von Benzin den erforderlichen Strom. Das ist natürlich ein weniger gutes Gefühl bei einem Elektroauto. Also denke ich jetzt alle Nase lang darüber nach, wo oder bei wem ich mich in der nächsten Etappe an die Dose hängen kann. Ich warte noch auf die Situation, in der ich mich entscheiden muss, ob ich in einen temporär verfügbaren Anschluss mein Handy, mein Notebook oder mein Auto hänge.
Mental muss das dem Erregungszustand eines Junkies nahe kommen. Entsprechend euphorisch reagiere ich auf die Ankündigung, dass die Anzahl der Düsseldorfer Ladestationen demnächst von 40 auf 70 ausgebaut werden wird. Phantasien machen sich breit: Werde ich es noch erleben, dass unter meinen Füßen induktive Stromquellen meine Akkus ertüchtigen? Die Debatten um die nationale Energiewende, Ausfallrisiken, Netzertüchtigung und nicht zuletzt den hohen Strompreis kriegen da mit einem Mal eine sehr persönliche Dimension. Unvorstellbar, dass eine Nation, wie die USA, der wir viele der digitalen Neuerungen zu verdanken haben, in einer so fragilen, rückständigen Netzinfrastruktur verbringt, deren Blackouts auch vor den größten nationalen Ereignissen nicht halt machen.
Entzug wäre nicht schlecht. Ein paar Wochen alleine mit den
biologischen Akkus unterwegs. No Nokia. No iPad. No Dell. No Opel. Neil
Postmans Kloster in dem ich mir ein paar kulturelle Fähigkeiten erhalte. Werde
ich das aushalten? O2 hat mir neulich einen Vorgeschmack darauf gegeben Durch
ein Versehen war ich mobil für vier Tage nicht erreichbar. „Oh, wir haben Sie vermisst, Herr Severin. Wir
haben uns schon Sorgen gemacht.“