Sonntag, 23. Dezember 2007

Deutsch for Germany


Es ist Weihnachtszeit. Die Agentur und ihre Mitarbeiter haben am Freitag das Geschäftsjahr mit Lebkuchen und Glühwein beschlossen. Wir verschwinden jetzt in die wohlverdiente Pause zum Jahreswechsel. In den letzten Tagen vor dieser Atempause ist die Führungsebene einer Agentur sowieso nur bedingt einsatzfähig. Im Wesentlichen ist sie nämlich mit dem Organisieren und Verfertigen der Weihnachtskorrespondenz befasst. Heißt: Eine Weihnachtskarte muss entwickelt werden, die Verteiler für den Versand müssen aktualisiert und natürlich das ein oder andere Geschenk besorgt werden. In diesem Jahr haben wir uns, um dem üblichen Stress zu entgehen, bereits im Oktober einen Vorbereitungstermin ins Outlook geschrieben. Leider musste der ein paar Mal verschoben werden. Letztlich war es dann doch wieder Ende November als die Dinge ihren unvermeidlichen Lauf nahmen. Irgendwann im weiteren Verlauf kommt der Zeitpunkt, wenn sich vor dir Kartons mit 500 und mehr Grußkarten aufbauen und dir fordernd entgegenblicken. Und du weißt, dass dir diesen Job niemand, auch nicht die engagierte Praktikantin aus Münster, wirklich abnehmen kann. In den nächsten Tagen wirst du ganz allein in dieser Verantwortung stehen. Einer der härtesten Jobs, der auf den Geschäftsführer einer PR-Agentur wartet. Zumindest, wenn man den Anspruch hat, neben der Unterschrift hier und dort doch eine persönliche Nachricht zu hinterlassen. So viel Individualität beim „Content“ sollte uns doch von der Werbung unterscheiden…

Kundengeschenke waren dieses Jahr in deutlich geringerer Zahl zu verpacken. Das hat damit zu tun, dass es vielen Kunden zunehmend erschwert wird, Geschenke anzunehmen. Um sie nicht in Kalamitäten zu bringen, haben wir uns in diesem Jahr entschieden, statt Geschenken die Deutsche Knochenmarkspenderdatei finanziell zu unterstützen. Diese Organisation macht eine fantastische Arbeit im Kampf gegen Leukämie und wir werden uns im nächsten Jahr mit allen Mitarbeitern zu einer Betriebstypisierung anmelden und dafür auch die Kosten übernehmen.

In den Geschenken, die wir selber erhalten haben, fand sich zwischen Kalendern, Süßigkeiten und Weinflaschen ein kleine Aufmerksamkeit, die mich in diesem Jahr für alles Mühsal entschädigte. Ich spiele Golf. Nicht oft. Nicht besonders begabt. Aber sehr hingebungsvoll. Das hatte eine liebe Geschäftspartnerin auf die Idee gebracht mir einen elektronischen Zähler mit einem optischen Entfernungsmesser zu schenken. Das sind auf Golfrunden nützliche Utensilien, um die Schlagzahl aufzuzeichnen (sei es die tatsächliche oder die gewünschte) oder um vor einem Schlag die Entfernung zur Fahne auszumessen (was in Turnieren nicht zulässig ist). (Für Nicht-Golfer: Nichts beschäftigt Golfspieler wähernd der Runde so sehr, wie die Frage, wie man den Score zwischen zwei Löchern abseits der golftechnischen Fähigkeiten optimieren kann.) Dass mir dieses Geschenk eine so große Freude machte, lag allerdings zunächst weniger an dessen in der Wintersaison noch eingeschränktem Nutzen als an der beiliegenden Bedienungsanleitung.

Es sind Sätze wie „Diese Produkt ist mit einem Batterieretter Plastikanhänger versendet worden.“, die einem beim ersten Überfliegen des Abschnitts „Deutsch für Germany“ signalisieren, dass einem der technische Redakteur per Übersetzung zu einem ungeplanten kommunikativen Höhepunkt verhelfen wird. „Um sich zurückzustellen, drücken Sie jede mögliche Steuerungstaste außer die Taste zum zurückstellen. Vorsicht: Wenn Zurückstellentaste niedergedrückt wird, ist alles Gedächtnis verloren.“ Tatsächlich hilft mir schon die Lektüre dieses Fundstücks alles andere aus dem Gedächtnis zu verlieren. Man kann nur hoffen, dass die US-amerikanischen Importkontrollen dem Produkt mit gnädigem Großmut begegnen, wenn es heißt: „ Drücken Sie diese Taste, um auf irgendeiner Bohrung die Zähler der Anschläge einmal zu notieren. Teilsummen und Gesamtsummen rücken vor, wie Sie von Bohrung zu Bohrung fortfahren.“ Sind hier al-Qaida-Controller am Werk?

Übersetzungspannen gab es schon immer. Am Anfang steht ein Produkt. Auf das haben sich Hersteller häufig derart verausgabt, dass für ordentlich fabrizierte, mehrsprachige Anleitungen das Geld, die Zeit oder die Kompetenzen fehlten. Richtig so, denn ein wirklich gutes Produkt muss schließlich auch ohne Beschreibung seinen Nutzen entfalten, oder? Ohne Zweifel sorgt die Globalisierung hier für grenzüberschreitenden Frohsinn. Erinnert sich noch jemand an das Ungarisch-Englische Wörterbuch aus Monty Python’s „Wunderbare Welt der Schwerkraft“ bei dem touristische Standardsätze in Obszönitäten übersetzt waren und von einem wundervollen John Cleese in Umlauf gebracht wurden? Das neue Langenscheidt-Bändchen „Übelsetzungen – Sprachpannen aus aller Welt“ belegt einmal mehr, wie locker die Realität des unwillkürlichen sprachlichen Irrsinns künstlerische Kreativität in den Schatten zu stellen vermag. Der langjährige SZ-Reporter Titus Arnu hat hierin Fundstücke misslungener sprachlicher Orientierungen für Touristen zusammengetragen. Was da auf Speisekarten, Hinweis- und Verkehrsschildern an Skurrilitäten kommuniziert wird, trägt selten wirklich zur Orientierung bei, aber garantiert zur zwerchfellstrapazierende Erheiterung. Wem diese sprachliche Akrobatik noch nicht reicht, dem empfehle ich das Weltenbummler-Blog Traveller’s Point und dessen Sammlung an touristischen Hinweisschildern. Der Aussage auf dem Bild des niederländischen Fotografen wilmar ist in ihrer tiefen Weisheit eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.