Freitag, 11. September 2009

Zeichen des Alltags

Die Wirksamkeit von Verkehrsschildern besteht gemeinhin ja darin, dass sie (weitgehend) ohne Worte und mit reiner Symbolsprache auf den Punkt kommen. Radweg, Einbahnstraße, Überholverbot – alles auch für den nur halbwegs geschulten Verkehrsteilnehmer plausibel und kulturell gelernt. Nur was tun, wenn die Kultur versagt? Dazu ein Fund von der letzten Urlaubsreise.



Während man in Deutschland noch den Vorschlag diskutiert, Parkverbotsschilder - wie in England und Frankreich schon lange praktiziert - durch farbige Markierungen zu ersetzen und sich föderalistisch zünftig über die Farbe streitet, greift man ausgerechnet in Frankreich wieder zum Verkehrsschild, um hartgesottenen Ignoranten beizukommen. Es ist ja wahr: Wie es dasteht in seiner dreidimensionalen und aufrechten Gestalt, wie ein drohender Mittelfinger, allzeit bereit sich auf den Übeltäter zu stürzen. Und argumentiert ganz symbolfrei:
„Im Tausch gegen meinen Parkplatz überlasse ich Ihnen gerne meine Behinderung“.

Und dieser Vorschlag bleibt sogar sichtbar, wenn Schnee liegt.

Freitag, 24. Juli 2009

Wendelin hilf: Kommt jetzt der „Hilfe für Madeleine“-Fonds?

Es ist ausgestanden. Der unwürdige Konflikt zwischen Porsche und Volkswagen hat zumindest ein würdiges Ende gefunden. Porsche wird zu einer wertvollen weiteren Marke im Portfolio des Volkswagen-Konzerns und beide können nur noch gewinnen. Und auch von Herrn Wiedeking wird beizeiten wieder Positiveres zu vermelden sein, zumal dieses Land nicht wirklich reich ist, an begabten Managern. Und dazu zählt der Mann ohne Zweifel. Nur bedauerlich, dass selbst die talentiertesten Exemplare dieser Kaste in der Strähne ihres Erfolgs irgendwann offenbar den Realitätssinn verlieren. Wer tiefer in diese Abgründe schauen mag, dem sei dringend die Lektüre des neuen Buches der SZ-Wirtschaftsredakteurin Dagmar Deckstein ans Herz gelegt. In ihrem Buch „Klasse!“ legen sie alle Zeugnis ab: ihre Headhunter, Coaches, Familienmitglieder, Therapeuten und natürlich sie selbst, die Leute aus dem Boardroom. Es beeindruckt mich, wie Dagmar Deckstein sie alle - natürlich anonym - zum Reden gebracht hat. Entlädt sich hier in Gegenwart der journalistischen „Beichtmutter“ vielleicht ein Stück schlechtes Gewissen?
Es darf bezweifelt sein, dass ein solches Alphatier wie Wiedeking sich fortan rein der Philanthropie widmet. Und ich glaube auch nicht, dass W.W. demnächst, wie einst Wolfgang Bernhard, bei Cerberus & Co. auftaucht. Dazu ist der Mann zu sehr Unternehmer. Und die Wunden, die der listenreiche „Doppelpack“ Wiedeking-Härter einst in die Bilanzen der Hedgefonds-Gilde geschlagen hat, sind noch nicht verheilt. Bleibt die Frage, in welche seiner Stiftungsaktiviäten er nun – übrigens durchaus nützlich für den zu versteuernden Einkommensteil – die 25 Millionen steckt. Ich hätte da einen Vorschlag: In einem ergreifenden Schritt an die Öffentlichkeit hat uns Madeleine Schickedanz vor wenigen Tagen ihren sozialen Abstieg offenbart. Mit knapp 600 Euro im Monat und einem Leben zwischen Discountern und Gemüsegarten schien sie für kurze Zeit die realen Existenzängste der 80.000 Arcandor-Beschäftigten vergessen zu machen. Tun Sie jetzt Gutes, Herr Wiedeking, und retten Sie die Frau mit dem traditionsreichen Namen vor der Altersarmut. Geben Sie Deutschland die „Hilfe für Madeleine“-Stiftung und zeigen Sie uns, dass es sie auch in den einsamen Höhen unserer Eliten noch gibt – die warme Hand der Barmherzigkeit!

Freitag, 17. Juli 2009

Naumon ist da



Neulich mit den Rädern in Duisburg-Ruhrort unterwegs, fiel unser Blick auf einen alten Kahn, der dort einerseits so gar nicht zwischen die Hochleistungspötte des Hafenterminals passte, sich aber als erfreuliche Abwechslung in unserem lokalen kulturellen Erwartungshorizont entpuppte. Vor uns lag die „Naumon“, die der von uns hoch verehrten katalanischen Theatergruppe „La Fura dels Baus“ seit 2004 als Plattform für künstlerische Großprojekte dient. Am 21. Mai 2010 wird die Gruppe im Rahmen der Veranstaltungsreihe zur Kulturhauptstadt auf dem Schiff ihre Wagner-Interpretation „Das globale Rheingold“ aufführen. Video Pressekonferenz
Theater à la La Fura ist ja nun nie das beschauliche Guckkasten-Theater. Die Katalanen werden auch in Duisburg wieder das Publikum scheuchen, es provozieren und staunen machen. Und auf jeden Fall ein paar starke Bilder in den verstörten Köpfen der Zuschauer hinterlassen. Genau die Art von „Elektroschocks“, die dieser verschlafene Kulturhauptstadtswinkel bisweilen braucht. Passt irgendwie ins Bild, dass die „Naumon“ vor vierzig Jahren als Eisbrecher im Einsatz war, oder?
Nachdem die Wirtschaftskrise auch so manch hochfliegende kommunale Kulturhauptstadtplanung auf den harten Boden der Realität geholt hat, ist es um so erfreulicher, dass der lokale Sponsor Haniel in diesem Projekt für Planungssicherheit sorgt.

Sonntag, 21. Juni 2009

Foren-Zensur in "Der Westen"?

Wow, ist das die schöne neue WAZ-Welt der Herren Hombach und Reitz? Am Samstag, den 20.6. erschien in unserem Duisburger Lokalblättchen ein etwas sonderbarer Kommentar. Darin wurden die Duisburger Grünen, - die zusammen mit der CDU vor einigen Jahren eine Jahrzehnte regierende SPD ablösten und endlich die überfällige neue Dynamik in die Stadtentwicklung brachten -, altväterlich daran erinnert, dass „die Wähler Rot-Grün“ wollen. Mit anderen Worten: Wird Zeit, dass diese Grünen von ihrem lokalpolitischen Irrweg zurück in die Vergangenheit finden.
Rot-Grün muss möglich sein

Daraufhin habe ich mir erlaubt, den Autor des Beitrags, einen Herrn Middeldorf, seines Zeichens frischgebackener Chefredakteur des Duisburger Lokal-Desks, über die Kommentar-Funktion des Artikels auf „Der Westen“ auf eine fragwürdige journalistische Haltung hinzuweisen.
So entspricht es nicht unbedingt der Berufsethik in einer solchen redaktionellen Verantwortung derart distanzlos in den kommunalen Wahlkampf einzugreifen. Wenn Herr Middeldorf meint, einer schwindsüchtigen SPD publizistisch die nötigen Prozente für die Rückkehr an die Macht zutreiben zu müssen, mag das seinen neuen Arbeitsplatz vor der nächsten Kündigungswelle im WAZ-Konzern vorübergehend stabilisieren. Guter Journalismus aber sieht anders aus. Und es ist wenig vorausschauend. Auch Grüne lesen die NRZ und sie haben längst erkannt, dass diese orientierungslose SPD auch kommunal nur noch wenig zur grünen Modernisierung der Gesellschaft beitragen kann. Es wäre politischer Nihilismus sich in diesen Zeiten wieder auf eine SPD zu verpflichten, die in Duisburg nicht einmal eine relevante personelle Erneuerung vollzogen hat. Soweit es also Herrn Middeldorf betrifft – nomen est omen – haben wir es vielleicht nur mit einer Notiz aus der Provinz und einem spezialdemokratischen Reflex aus besseren Tagen zu tun.

Interessanterweise stelle ich heute fest, dass mein Kommentar in „Der Westen“ zum Beitrag von Herrn Middeldorf heute vom Moderator ohne Angabe von Gründen gelöscht wurde. Wohlgemerkt, ich habe niemanden beleidigt oder die Netiquette verletzt. Ich habe diesem darbenden Portal nur einen Dialogbeitrag und damit sogar einen Beitrag zur Clickrate geliefert.
Ein solcher Eingriff in ein Forum hat natürlich schon eine andere Klasse vor dem Hintergrund, dass „Der Westen“ in Reaktion auf die Krise der WAZ-Printtitel als Hoffnungsträger für die Konzernumsätze ausgebaut wurde. O-Ton Hombach: „Wenn alles gut läuft, schreiben wir 2010 schwarze Zahlen.“ Da sage ich: Wenn die Dinge unter eilfertigen „Politkommissaren“ im „Westen“ aber so weiterlaufen, verehrter Herr Hombach, und unbootmäßige Kommentare gekillt werden, dann wird es gar nicht gut mit den Umsätzen laufen. Kann es sein, dass man hier die eigenen Prinzipien – „unabhängig, meinungsfreudig“ – und deren ökonomische Beduetung nochmal neu entdecken muss?

Dienstag, 17. März 2009

Neulich beim Werberat: Below-the-line (of taste)

Anfang März war es mal wieder soweit: Der Werberat zeigt der geneigten Öffentlichkeit, welche Kommunikationsleistungen es zwar mit geringem Aufwand weder zu nennenswerter Reichweite oder gar einem Effie gebracht haben, dafür aber immerhin zu einer aufmerksamkeitserhöhenden Ehrung in Form einer Rüge.

www.horizont.net/aktuell/marketing/pages/protected/Werberat-ruegt-sexistische-Kampagnen_82609.html


Die meisten Beschwerden, die den Werberat erreichen, beziehen sich auf sexistische Geschmacklosigkeiten, die Frauen herabwürdigen. Horizont hat eine kleine Galerie der Entgleisungen online gestellt.
Von wegen „Sex sells“! Meine These ist, die Täter entstammen soziologisch einer Sparkultur: Ihre Eltern haben schon an vernünftiger Erziehung und Bildung gespart. Der Spross (wir reden hier natürlich von Männern) hat sich fürderhin jeden guten Geschmack gespart. Und diese Leute sparen heute eben an professioneller Beratung und Kreativität. Erübrigt sich der Hinweis, dass sie von sich auf eine entsprechend billige(nde) Haltung ihrer Kunden schließen. Und dank Werberat gelingt Ihnen der crossmediale Hattrick: Neben der kostenlosen visuellen Platzierung in Werbemedien gibt’s obendrein auch noch eine anständige Medienresonanz. Und alles below the line. Ist der Ruf erst mal auf der Resterampe, spart man sich dann auch noch bemühte Rechtfertigungen. - So und jetzt, lieber Werberat, kann ich für Ihre nächste Rüge auch noch ein Fundstück aus dem lokalen Anzeigenblatt beisteuern: