Sonntag, 25. Juli 2010

Death Parade Duisburg


Was für ein Tag! Bis heute morgen war unklar, ob wir unserer 14-jährigen Tochter gestatten können zur Love Parade zu gehen. Von den üblichen Eltern-Bedenken angesichts einer weitgehend sinnfreien Inszenierung von Körperlichkeit im Rhythmus dumpfer Techno-Beats abgesehen, gab es ein paar ganz praktische Überlegungen, der Veranstaltung mit Misstrauen zu begegnen: Das Gelände am Güterbahnof bietet rein rechnerisch Platz für etwa 450.000 Menschen. Da es sich nicht wirklich um eine Parade handelt, sondern eher um eine Festival auf dem die Floats kreisen, war auch klar, dass die knappe Million Menschen, die es nicht aufs Gelände schafft, nix davon zu sehen kriegt. Aber was machen die dann? Den Charme der Duisburger Bahnhofsumgebung erkunden? Eher wahrscheinlich musste es sein, dass sich jugendliche Entschlossenheit aufmacht, um die Lücken im Sicherheitskordon zu entdecken, um doch noch aufs Gelände zu gelangen. So ist es heute passiert. Und bei diesen Versuchen hatte es Tote und Verletzte gegeben. Dazu hätte es nicht kommen dürfen. Eine Veranstaltung dieser Art kann unter solchen räumlichen Einschränkungen nicht funktionieren. Entweder paradiert man wie zuvor durch eine Stadt oder man sorgt für einen genügend große Fläche. Diese Fehlplanung dürfte nun das traurige Ende der Love Parade markieren. Einen Imagegewinn für die Ruhrgebietsstädte versprachen sich die Kulturhauptstädtler seinerzeit von der Übernahme der Loveparade. Duisburg erlebt gerade, wie sich das Versprechen gegen die Stadt kehrt. Vielleicht hatten die Bochumer „Weicheier“ mit ihrer Absage im vergangenen Jahr den richtigen Riecher. Unsere Tochter hat übrigens ähnlich guten Instinkt bewiesen: Sie hatte sich mit ihren Freunden auf eine entfernte Wiese gelegt und sich mit Beats aus sicherer Distanz vergnügt.

Freitag, 23. Juli 2010

Buschhuhn for Wappentier


Reisen erweitert den Horizont. Das wissen wir nicht erst seit den Reisen von Humboldt oder Darwin. (Zumal man sich in Teilen der USA immer noch schwer tut, den Horizont des Letzteren anzuerkennen.) Aber alle, denen die Erde keine Scheibe mehr ist, finden auf ihren Reisen rund um den Globus auch zu einem neuen Blick auf die eigene Kultur. So etwa unsere Tochter Katharina, seit knapp einem Monat zum Studium in Australien. Hier begegnete sie einem wundersamen Tier.

Der Australian Brush-Turkey (deutsch: Buschhuhn) gehört zur Spezies der Großfußhühner und macht Haufen. Mit seinen Riesenfüßen schiebt das Männchen Laub zusammen, bis zu einem einen Meter hohen Hindernis und stattlichen vier Metern Durchmesser. Da hinein legt das Weibchen bis zu 24 Eier. Das Männchen kümmert sich fortan per Materiallogistik um die optimale Bruttemperatur im Nest. Um diese zu überwachen steckt es seinen Kopf als Messfühler regelmäßig in den Haufen.

Man könnte sich fragen, ob dieser Vogel nicht ein würdigeres Symboltier für das moderne Deutschland wäre als der Bundesadler. Sind die Zeiten nicht vorbei, in denen deutsche Tugenden über die domestizierten und verbürgerlichten Eigenschaften des Reichsadlers repräsentiert werden mussten? In einer modernen, globalen Gesellschaft dürften noch nicht einmal paschtunische Stammeseliten mit den Zuschreibungen von Mut, Wehrhaftigkeit und Macht des Raubvogels zu beeindrucken sein. Also, lasst uns den Bundesadler in die verdiente Ruhestandsvoliere schicken. Für das neue Deutschland bietet das Buschhuhn ein deutlich angemesseneres heraldisches Potenzial: Es ist ein geselliger Vogel (so wie man uns zur WM erleben durfte), es zeigt ausgeprägten Familiensinn (Sozialstaatsorientierung), es ist ein echter Kompostspezialist (Nachhaltigkeitsziel der Bundesregierung) und schließlich kleidet es sich in den Nationalfarben: schwarzer Körper, gelber, mitunter anschwellender Kehlkopf (also ganz FDP) und ein roter federloser Kopf. Konsequent grünes Nahrungsangebot. O.k., nicht gerade ein Beauty und auch ein eher schwerfälliger Flieger. Aber in jeder Hinsicht ein verlässlicher Partner, mit dem man durch schwierige Zeiten kommt.
Herr Wulff, eröffnen Sie Ihre Amtszeit mit einem starken symbolischen Akt. Machen Sie das Buschhuhn zum Wappentier.