Sonntag, 10. Februar 2008

Unterwegs mit dem Bös-o-Meter


Nein, was Tony Wheeler da in seinem legendären Trecking-Verlag Lonely Planet vorgelegt hat, ist wahrlich nicht die Art Reiseführer auf dessen Spuren sich der gewöhnliche Rucksacktourist begeben sollte. „Bad Lands“ ist ein Reisebericht der besonderen Art. Denn die Destinationen um die es darin geht, werden seit 2002 von George W. Bush im Katalog der den Weltfrieden bedrohenden Staaten geführt. Tony Wheeler machte sich auf, um als „Tourist on the Axis of Evil“ die Wirklichkeit hinter den politischen Kriegsgemälden des „war on terror“ und den daraus gespeisten Medienklischees zu erkunden.

Wir erinnern uns: Im Jahre 2002 hatte George W. Bush die Welt vor den Staaten gewarnt, die den Terrorismus fördern oder den Frieden mit Massenvernichtungswaffen bedrohen: Iran, Irak und Nordkorea. Wheeler erweitert diese Liste „kongenial“ um weitere Paria-Staaten der US-Bedrohungsrhetorik: Afghanistan, Albanien, Burma, Kuba, Libyen und Saudi-Arabien.

Als Tourist die "Achse des Bösen" bereisen zu wollen, ist von geradezu plakativer Naivität. Natürlich weiß Wheeler um die jeweiligen politischen Verhältnisse und human rights records der Länder die er aufsucht. Und doch ist seine Herangehensweise unerhört wohltuend. Unter dem politischen Radar der Ideologen hinweg sucht er unvoreingenommen die Begegnung mit Menschen jenseits der Artefakte, die die politische Berichterstattung in unseren Köpfen hinterlässt.

Dass Wheeler Australier ist und nicht mit einem amerikanischen Pass herumreist, hat ihm sicher mancherorts nicht nur die Einreise, sondern auch den Zugang zu den Menschen erleichtert. Als erfahrener Backpacker hat er zudem geschärfte Sinne für Risiken wie für Chancen entwickelt. Und dass er einen Teil der Länder bereits von früher kannte und in jedem Land über wertvolle Kontakte verfügte, hat ihm viele Türen geöffnet, die dem normalen Touristen verschlossen geblieben wären.

In Albanien zeigt er uns, wie die bitterarmen Menschen in den post-kommunistischen Ruinen der Hoxha-Ära ihr Glück suchen und es notfalls sogar in den unkaputtbaren übers ganze Land verstreuten Iglu-Bunkern finden. In Afghanistan entdeckt er für uns das zarte Erwachen einer von Krieg und Taliban geschundenen großen Kulturnation. Wer dachte, die Apartheid sei mit dem regime change in Südafrika von der Landkarte verschwunden, sollte dringend den Abschnitt Wheelers zu Saudi Arabien lesen. Hier reicht es im 21. Jahrhundert immer noch aus, eine Frau zu sein, um weitgehend entrechtet von jedem Alltag ausgeschlossen zu sein. Der ganze Katalog der lawful sanctions, die die Scharia für Gesetzesverstöße bereithält, - von öffentlichen Amputationen bis zu Steinigungen ­und Enthauptungen mit dem Schwert - sorgt hier für Ruhe und Ordnung. Eine umfassende Zensur der Medien stellt sicher, dass die Bilder einer repressiven Geschlechter-Diktatur (die den Taliban übrigens als vorbildlich gilt) kaum in die Medien der Welt gelangen.

Der Alltag von Frauen im Iran liest sich dagegen wie ein eleganter Hüftschwung durch die Bühnenkulisse der Religionswächter. Bizarres Highlight der Tour des Schreckens ist allerdings unangefochten Nord-Korea: Ein stalinistischer Themenpark, „wie ein Gulag, von Monty Python betrieben“. Autobahnen auf denen einzelne Wagen noch die freie Wahl der Fahrspuren haben, kann es heute wahrscheinlich nur noch in totalitären Staaten geben.

Am Ende ist dem Autor wohl doch nicht so ganz wohl gewesen, Länder wie Albanien, Kuba oder Saudi-Arabien auf einen Nenner gebracht zu haben. Zur besseren Unterscheidung hat Wheeler sich das Evil Meter ™ gebastelt. Was macht ein Land zu einem „bösen“ Land?
Drei Fragen sind es, die er seinem Rating zu Grunde legt: Wie geht das Land mit seinen Bürgern um? Fördert es den Terrorismus? Ist es eine Bedrohung für andere Staaten?

Wheeler kommt in seinem Bericht nie als sonderlich politischer Beobachter rüber. Und doch erweist sich sein Buch als hoch politisch, indem es offenbart, wie leicht Medien in den Dienst eines politischen Kampfbegriffes geraten. Und dabei zunehmend ausblenden, wie vielfältig die Realität auch in einem Schurkenstaat aussehen kann.

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