Sonntag, 3. Februar 2008

Vom Präsentieren

O.k., diese Agenturspezies hat schon so ihre Marotten. Eine davon ist ohne Zweifel ihre Präsentationswut. Von der großen Präsentation im Neugeschäftspitch über die Präsentation im Strategieworkshop bis runter zur Vorstellung der letzten Medienresonanzanalyse glühen die Beamer nahezu im Dauerbetrieb. Wenn der Tag kommt, dass wir zu unserem Schöpfer gerufen werden, wird an Heaven’s Gate der Satz zu hören sein: „Haben wir vielleicht noch zehn Minuten?. Ich habe Ihnen da etwas mitgebracht, das ich Ihnen gerne zeigen würde…“ My final credential presentation. Nicht auszudenken jedoch, wir landeten in der Hölle, wo uns eine 24/7-Dauerpräsentation unserer Worst-of-PowerPoint erwartete...

Woher kommt diese Präsentationswut? Vielleicht hat es einfach damit zu tun, dass wir Berater in der Regel im Hintergrund agieren. Der Auftritt vor den Kameras und Mikrofonen, die Bühne der Öffentlichkeit, gehört unseren Kunden, ihren Marken und Produkten. Unsere Bühne ist der Konferenzraum des Kunden. Und unsere Präsentation ist eher die Motivationsveranstaltung hinter den Kulissen. Denn wenn wir präsentieren, geht es meist um mehr als um reine Informationsvermittlung. Wir wollen Begeisterung für eine Idee vermitteln, nicht selten auch Kraft unserer Persönlichkeit überzeugen oder einfach das Selbstvertrauen auf der anderen Seite für notwendige Maßnahmen stärken. Unsere, zumindest temporäre Identifikation mit einer Aufgabe, angereichert mit einer guten Dosis Adrenalin, kann in solchen Augenblicken manchen Widerstand überwinden: Misstrauen in die Umsetzbarkeit von Konzepten, Budgetrestriktionen, nicht selten sogar die Selbstzweifel und Frustrationen des Personals. Und das ist gut so. Denn wir müssen immer wieder zeigen, dass wir genügend Kraft und Enthusiasmus haben, eine anspruchsvolle Mission zu erfüllen. Keine Frage, dass manch einer dabei schon mal übers Ziel hinausschießt. Enthusiasmus für eine Aufgabe ist nicht mit blinder Gefolgschaft oder Opportunismus zu verwechseln. Manch ein Kunde wäre schon froh, wenn sich das Feuer aus der Präsentation einigermaßen über den Tag der Beauftragung hinaus erhalten ließe.

Heute ist Sonntag. Mich weht die Erkenntnis an, dass ich im Präsentationsauftritt von meiner katholischen Erziehung und den sieben Jahren als Messdiener am Altar von St. Gertrudis profitiere. Hier habe ich einen Sinn entwickelt für die Kraft des gesprochenen Wortes in der Dramaturgie („Sacra Liturgia“) von Agenden, Orgelmusik, kollektiven Zeremonien, Weihrauch und Opfern. Vor allem habe ich gelernt, dass am Ende der Messfeier, die Gemeinde ein Gefühl von Gemeinsamkeit erneuern und neue Kraft für die vor ihr liegenden Tage schöpfen will. Ein wenig so – bei allem Respekt vor Glaubensakten – ist es auch bei Präsentationen. Mag die beteiligte Technik sich über die Jahre verändert haben, die zugrundeliegende Psychologie ist seit der Verbreitung der frohen Botschaft die gleiche geblieben.

Ja, ja, die Technik. Angefangen hat es damals mit Overhead-Folien in Flip-Frames (auf deren ausklappbaren Rändern man sich so praktisch Stichworte notieren konnte), größere Präsentationen dann wurden in eine Diashow überführt. Dann ab Mitte der Neunziger der Durchbruch für Notebook, PowerPoint und Beamer. Die Präsentation beginnt sich hier vom Präsentator zu lösen. Mehr und mehr sind hier die Visualisierung und die gestalterischen Effekte des Mediums in den Vordergrund getreten. Aufwändige Flash-Animationen, Videoeinspielungen und spektakuläre Aufbaugrafiken wollen Eindruck und Emotionen schinden, um nicht der Tagesform des Vortragenden ausgeliefert zu sein. (Tatsächlich habe ich die unbeholfensten und hölzernsten Präsentationen ausgerechnet bei Werbern erlebt, also einer Gattung, die gleichzeitig die höchsten Ansprüche an emotionale Wirkungen stellt.)

Ein neues Angebot mag nun die Vortragenden weitgehend von den Unwägbarkeiten des persönlichen Auftritts befreien. Bei den Voice-over-Slides der Frankfurter Agentur Schallmarke wird die PowerPoint-Präsentation in eine selbstlaufende Flashpräsentation überführt. Das ist so weit noch nichts Ungewöhnliches. Neu hingegen ist, dass ein professioneller Sprecher die Rolle des Präsentators übernimmt. Was Hörbüchern zu Erfolgsumsätzen verhilft, sollte Marketiers und Vertriebspersonal billig sein, mögen sich die beiden Köpfe hinter Schallmarke gedacht haben. Jo Löw und Jörg Middelkamp haben es nämlich faustdick hinter den Ohren. Die beiden – der eine Komponist und Musikproduzent, Kommunikationsberater der andere – haben sich darauf spezialisiert, Markenpersönlichkeiten und Corporate Identities in Klänge umzusetzen. „Akustische Markenführung“ nennt sich die junge Kommunikationsdisziplin, bei der eine akustische Signatur für Wiedererkennbarkeit sorgt. Ihr erstes Produkt, die Businessmailbox, hatte ihnen bereits den Frankfurter Gründerpreis 2007 eingebracht. Ein von Schallmarke entwickeltes Verfahren macht es dabei möglich, Mailboxansagen in hochwertige Hörmarken, sogenannte Audiologos, zu verwandeln. Wie sich zeigte, ein gefragtes Angebot bei großen Markenunternehmen mit mobilem Personal und intensivem Kundenkontakt. Auch die neuen Voice-over-Slides zielen darauf, Marken in ungeschützten Räumen und Begegnungen zu einem verlässlichen Auftritt zu verhelfen. Der entscheidende Vorsprung gegenüber der automatenhaften Sprechbegleitung, wie wir sie aus Webinars und Messepräsentationen kennen, liegt klar in der Sprecherqualität. Ein internationaler Sprecherpool von über einhundert professionellen Stimmen aller Genres sorgt für die passende Ansprache und CI-Kompatibilität. Prominente Stimmen, vielleicht sogar die des Werbetestimonials, können in Einzelfällen für die nötige Aufmerksamkeit sorgen. Das neue Angebot wird gewiss seinen Markt finden. – Und ich überlege mir einstweilen, ob ich mich bei einer der nächsten Präsentationen verbal einmal von Piet Klocke vertreten lasse…

2 Kommentare:

Timo hat gesagt…

Hallo Herr Severin,

die Idee von der Agentur Schallmarke ist ja wirklich großartig! Für Präsentationen vor einem sehr großen Publikum, wo die persönliche Bindung und Identifikation mit dem Vortragenden nicht so elementar ist, da ist das sicher eine äußerst lohnende Sache.

Passend zum Thema: Hier hat sich anscheinend jemand meine PowerPoint-Präsentationen aus dem letzten Jahr einmal genauer angeschaut:
http://www.youtube.com/watch?v=HLpjrHzgSRM

Andreas Severin hat gesagt…

Hallo Herr Lommatzsch, ja, ja, die Avatare bevölkern mehr und mehr unseren Alltag...
Danke für den tollen YouTube-Hinweis auf die Don McMillan-Nummer zu PowerPoint. Großer Spaß. Nur schade, dass die Aufnahme so unscharf ist, das nimmt dem Auftritt ein wenig die Wirkung.