Samstag, 13. März 2010

Verlorene Welten: das Plakat

Gestern Abend war ich zu einem Vortrag ins Folkwang Museum eingeladen. Günther Kieser, einer der Altmeister deutscher Plakatkunst, führte in sein Werk ein. Ich gebe zu, dass mir der Name nichts sagte, aber als ich die ersten Plakate sah, war das ein klassisches Aha-Erlebnis. Viele dieser eindrucksvollen Musik-Plakate hatten mich in Kindheit und Jugend umgeben: Die Black-Power-Faust aus der viele kleine Triebe sprießen und die ein Jazz-Konzert ankündigt. Das Jimi-Hendrix-Konterfei inmitten bunter Elektrokabel und Regler bei dessen Anblick einem heute noch die verzerrten Akkorde auf der E-Gitarre im Kopf nachschwingen. Besser konnte man den Synästhetiker Hendrix nicht porträtieren. Oder die Plakate zum Frankfurter Jazz Festival oder dem American Folk & Blues Festival mit dem markanten Gitarrenkörper, der in immer neuen Varianten den Zeitgeist abbildete. Unvergessliche Signaturen von Musikepochen und Lebensstilen. Und doch Botschaften aus einer vergangenen Welt. Plakate das waren Statements gegen die bürgerliche Ordnung, Banner der Revolte. Ein Plakat war Vorläufer des Graffitis und gehörte immer auf Flächen, die von der öffentlichen Ordnung mit „Plakate kleben verboten“ ausgewiesen waren. Heute weist das Plakat außer meinesgleichen vielleicht noch ein paar Althippies im Topos des bürgerlichen Kulturkanons den nostalgischen Blick auf die eigene Vergangenheit. In Zeiten der Online-Kultur von My Space, Facebook und Flashmob-Events wirken Ankündigungen per Plakat jedoch ähnlich verloren wie die verzweifelten Bemühungen der Werbeindustrie mit Mega-Postern einen Fitzel unserer Aufmerksamkeit zu erheischen. Was bleibt ist ehrliche und zeitlose Bewunderung der handwerklichen Fähigkeiten des Plakatkünstlers. Kieser zeichnete noch richtig, malte, klebte oder lötete die Objekte zusammen. Wer erinnert sich nicht seines Phantasie-Blechblasinstrumentes mit den Dutzenden Mundstücken, das er ausleuchtete und dann fotografierte.

Wie musste es diesen Mann erschüttern, als Studenten ihn neulich ernsthaft nach seiner Photoshop-Praxis befragten.

Also, der Weg in die erste Ausstellung des in das neue Essener Folkwang-Museum umgezogenen Deutschen Plakat Museums lohnt sich. Die Schau Raumgestaltungen – Plakatgestaltung Kieser – Matthies – Rambow läuft noch bis 4. April 2010. Und eine gute Gelegenheit das geniale Raumgefühl des "schönsten Museums der Welt" zu erleben ist es außerdem.

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